Bildlegende: links unten Nina Siery, Betreuerin Saatgutbibliothek, links stehend Karin Roth Mitglied Permakultur Regiogruppe GR, rechts stehend neben Saatgutbibliothek eine Mitarbeiterin der Stadtbibliothek und Michael, der die Bibliothek baute. Unten rechts Marius der Interviewer.

«Guten Tag Frau Roth. Wie Sie bereits wissen, ist unser heutiges Thema die Samentauschbörse. Wie ist der Ablauf der Vorbereitungen?»

«Erst einmal herzlichen Dank für die Einladung zum Interview. Wir – das mach’s Team und die Lernenden, haben den ganzen Winter 2021/2022 Samentüten gefaltet. Die Tüten bestehen aus Altpapier das verschnitten und anschliessend gefaltet wird. Wenn Sie interessiert sind, kann ich Ihnen unsere Anleitung dafür zukommen lassen. Diese Arbeit war auch gut im Homeoffice und in Randstunden möglich. Die Lernenden haben, über den Winter verteilt, ganze Schuhschachteln mit Samentüten gefüllt. Die vorbereiteten Samentüten haben wir gebraucht, um Saatgut abzufüllen. Zum Teil haben wir sie mit unserem eigenen Saatgut aus Malix zu Portionen abgefüllt. Zum anderen aber auch mit Samen, von Samentauschbörsen. Unsere Lernenden haben recherchiert, um was für eine Pflanze es sich handelt, ob sie gut für die Bienen oder ob es eine Heilpflanze ist. Danach haben sie die Tüten mit Etiketten beschriftet.»

«Sie haben vorhin das Wort ‘’Samentauschbörse’’ erwähnt. Können Sie mir erklären, was das ist?»

«Eine Samentauschbörse ist wie der Name schon sagt, eine Tauschbörse für Saatgut. Da kommen Leute, meist mit ‘’chübeli’’ voller gekauftem oder selbst geerntetem Saatgut, von dem sie zu viel haben. Die Samen werden auf verschiedene Tische verteilt. Beispielsweise kommt jemand, bringt Samen für Tomaten und anderes Gemüse und tauscht diese gegen Wildblumen für Bienen, Wildstauden oder Bohnen. ‘’Es isch eifach äs gäh und es näh.’’ So funktioniert eine Samentauschbörse. Es war sehr spannend, was die einzelnen Leute so mitgebracht haben.»

«Vielen Dank für die Erklärung. Also sehe ich das richtig, dass es mehr um einheimisches Saatgut als um Saatgut anderer Herkunft geht?»

«Ja, das stimmt. Das ist es, was hinter einer Samenbörse steckt. Früher war es selbstverständlich, dass jeder Hof, jede Person, selbstversorgend war. Die vielfältigen Sorten waren regional angepasst, (eine Tomate in Malix, muss widerstandsfähiger sein, als eine Tomate in Chur.) Der Grund dafür ist, dass es in Malix länger kalt bleibt und auch die Nächte kälter sind als in Chur. Das bedeutet also, mit dem Saatgut vererbt sich auch die Widerstandskraft. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die regionalen Sorten nicht weiter verloren gehen.»

«Muss man an einer Samentauschbörse Eintritt bezahlen?»

«Nein, man muss keinen Eintritt bezahlen. Es gibt Leute, die sich noch nicht trauen selbst Saatgut zu ernten, es aber versuchen wollen. Auch gibt es solche die mal schauen möchten, wie das funktioniert. Neugierige Besucher schätzen wir sehr. Für die Leute, die kein Saatgut zum Tauschen mitbringen aber gerne etwas mitnehmen möchten, gibt es eine Kasse für Spenden. Mit diesem Erlös werden zum Beispiel die Flyer oder die Saatgutbibliothek, welche es in der Lernstatt Känguruh zu kaufen gibt, finanziert.»

«Was ist denn eine Saatgutbibliothek?»

«Das ist eine Kiste mit mehreren Unterteilungen für das Saatgut. Diese Saatgutbibliothek steht ab jetzt zum Beispiel in der Stadtbibliothek in Chur. Es ist ein ganzjähriges Angebot und steht allen zur Verfügung, die vielleicht nicht an die Samentauschbörse kommen konnten oder da waren und jetzt sagen: ‘’Oh das ist ja super, das versuche ich jetzt selber.’’ So bringen sie vielleicht Saatgut vorbei. Es funktioniert ähnlich wie in einer Bibliothek. Anstelle von einem Buch leiht man sich Saatgut aus und im Herbst bringt man die nächste Generation des Saatguts, welches man gesät hatte, wieder zurück. Es ist so zu sagen ein Ausleih- oder Tauschsystem. Das Mitmachen von jedem einzelnen ist wichtig, um eine Vielfalt bereitstellen zu können. Ich hoffe jedoch, dass die Leute es nicht als ‘’gratis Saatgut’’ sehen, denn das ist nicht der Sinn dahinter.»

«Es handelt sich also um eine kleine Samentauschbörse?»

«Ja, das Angebot ist einfach ganzjährig und nicht nur einmal im Jahr.»

«Wer hat Ihnen beim Bau der Saatgutbibliothek geholfen?»

«Ich hatte ein ideales Team. Es bestand aus der Abteilung ‘’mach’s’’ der Lernstatt Känguruh, aus einem Schreiner, einem ‘’halb Schreiner’’ und den Lernenden. Zuerst hat das Team ein Modell einer Saatgutbibliothek aus Karton gemacht. Als beim Karton-Modell dann alles gestimmt hat, haben Sie daraus die richtige Saatgutbibliothek aus Holz gebaut.»

«Kann man sich das wie eine ‘’Sortierbox’’ vorstellen?»

«Ja, das ist eine gute Beschreibung.»

«Wurde die Saatgutbibliothek noch Dekoriert?»

«Ja, nur eine Holzbox allein, wäre ja langweilig. Es muss ja auch etwas Schönes sein, neugierig machen, ein sogenannter Eyecatcher. Wir hatten das Glück, dass wir eine Lernende hatten, welche die Gestaltung übernahm. Sie schrieb dann gross ‘’CHURER SAATGUTBIBLIOTHEK’’ und zeichnete den Kreislauf des Saatgutes. Das wurde alles mit der ‘’Branding Methode’’ auf das Holz gebrannt. Sieht sehr, sehr schön aus.»

«Das glaube ich. Sie haben gesagt, dass die Saatgutbibliothek in der Stadtbibliothek steht?»

«Genau. Am 21.02.2022 am Morgen, hat uns das Personal der Stadtbibliothek in Chur schon mit der Kamera erwartet. Dann haben alle Lernenden, die etwas zur Saatgutbibliothek beigetragen haben und die Frau, die die Saatgutbibliothek betreuen wird, ein Foto zusammen gemacht. Die Frau gehört zur Permakultur Regiogruppe Graubünden. Sie geht einmal pro Woche zur Saatgutbibliothek und schaut dann, ob alles in Ordnung ist, ob es zu viel oder zu wenig Saatgut hat»

«Das klingt alles sehr interessant und nach einem wichtigen Projekt. So, ich denke das waren jetzt alle Fragen, haben Sie noch etwas zu ergänzen Frau Roth?»

«Ja, hoffentlich machen so viele Leute mit, dass dieses Saatgut im ganzen Kanton verteilt wird und die Idee von einer Saatgutbibliothek bekannt wird. Es wäre großartig, wenn weitere Saatgutbibliotheken initiiert werden, so hätte die Lernstatt Känguruh auch noch weitere Aufträge für Saatgutbibliotheken.»

«Das wäre schön. Vielen Dank, dass ich sie interviewen durfte Frau Roth.»

«Danke Ihnen, dass ich eingeladen wurde. Es hat mich sehr gefreut.»